Was (derzeit) in Hamburg vor sich geht, ist mit "skandalös" noch sehr wohlwollend umschrieben. Während man in einem Seminar zur EU-Vertragsentwicklung über die Gründe der euroskeptischen Stimmung sinniert und irgendwie permanent Begriffe wie "Politikverdrossenheit" fallen, tut der Hamburger Senat alles, demokratische Initiativen, die "von unten", sprichwörtlich im Keim zu ersticken.
Dass wir in Deutschland Angst vor direktdemokratischen Elementen haben, ist die eine Sache. Dass Volksinitiativen und -entscheide selten stattfinden und noch seltener erhört werden, eine weitere. Dass sie je nach Gesetzeslage, Wahlbeteiligung und öffentlicher Wahrnehmung unterschiedliche Legitimation besitzen, eine andere.
Nachdem mehr als Dreiviertel der Hamburger bei einer demokratisch legitimierenden Wahlbeteiligung von 65% im Jahr 2004 gegen den Verkauf des städtischen Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) gestimmt haben... ist was passiert? Richtig, verscherbelt, privatisiert, für'n Appel und n Ei.
Was dem Volksentscheid vorausgegangen war? Eine monatelange Informationskampagne, auf den Straßen und in den Unternehmen der Stadt. Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid - ein Kraftakt, der aber zeigt, wie wirkungsvoll die Arbeit auf der Straße ist: man spricht die Leute direkt an, diskutiert, beantwortet Fragen. Und so kommt es, dass die Öffentlichkeit - frei von all dem Parteigeplänkel und den leeren Phrasen aus Talkshow"diskussionen" - ein Gefühl des aktiven Mitspracherechts vermittelt bekommen kann.
Dies genau ist dem Hamburger Senat ein Dorn im Auge. Für zwei weitere Volksbegehren hat die Mannschaft um Ole jetzt eine sowohl fragwürdige wie auch demokratisch kontraproduktive Hürde eingebaut: Unterschriften unter ein Volksbegehren dürfen nicht mehr auf der Straße gesammelt werden. Wer das Volksbegehren unterschreiben will, der muss sich dafür vorher in einer Behörde registrieren lassen. Abgesehen davon, ob wir Bürger das beruflich, zeitlich und organisatorisch mit uns machen lassen können - es ist reine Schikane und entbehrt jeglicher Argumentationslogik.
Gut, man könnte argumentieren, dass der demokratische Gedanke jedem ein kleiner Gang ins Ortsamt wert sein sollte. Aber haben wir es hier nicht mit einem Wegfall öffentlichen (!) politischen Diskurses zu tun? Einem der wichtigsten Grundsätze in unserer "Demokratie"? Werden wir hier nicht einer Chance beraubt, gegen die Politikverdrossenheit anzukämpfen? Gegen die Gefahr zu arbeiten, die aus dem Frust über das politische Establishment erwächst?
Woher kommt diese Ohnmacht?
konsulat - 1. Feb, 13:17